Perspektiven zur Wiederverwendung von Bauteilen

 

Masterarbeit von Valentin Topp
Bauhaus-Universität Weimar
Lehrstuhl für Entwerfen & Baukonstruktion
Prof. Johannes Kuehn & Prof. Andreas Garkisch

 

 

Welche Rolle spielt Architektur in Anbetracht der Klimakrise?

 

Jedes Jahr fallen in Deutschland über 70 Millionen Tonnen an Bauabfällen an. Das meiste davon landet auf Deponien oder wird zerkleinert und downgecycelt. Die darin gespeicherte Energie geht für immer verloren und neue Bauteile müssen CO2 intensiv neu hergestellt werden.

 

Diese Abschlussarbeit widmet sich den Chancen und Potentialen der Wiederverwendung von Bauteilen aus Abrissobjekten. Dafür wurden insgesamt 14 Abrissobjekte in Thüringen besichtigt und vermessen. Hunderte verfügbare Baustoffe wurden in einem Bauteilkatalog zusammengefasst, der für diesen Entwurf die Grundlage bildet.

In einer theoretischen Arbeit, die begleitend zu diesem Entwurf entstand, wurde sich unter anderem mit den aktuellen Missständen des zirkulären Bauens beschäftigt. Diese äußern sich durch fehlende Organisationsstrukturen, rechtliche Hürden, schlechte Informations- und Bildungsangebote und eine fehlende Akzeptanz für gebrauchte Bauteile.

Um diese Lücken zu schließen, wurde das „Institut für zirkuläres Bauen“ ins Leben gerufen. Das Institut soll sich inhaltlich mit dem Thema Wiederverwendung auseinandersetzen und durch Forschungs- Lobby, sowie Bildungsarbeit das zirkuläre Bauen fördern.

Aufgaben des Institutes

BAUTEILAKQUISE

 

12 Abriss- oder Umbauprojekte in Thüringen wurden besichtigt und dabei die Wiederverwendbarkeit ihrer Bauteile untersucht. Zahlreiche Bauteile wurden währenddessen identifiziert, vermessen und dokumentiert. Darüber hinaus wurde stetig das Internet auf Seiten wie Concular und Kleinanzeigen durchforstet und nach gebrauchten Bautelen gestöbert.

 

BAUTEILKATALOG

 

Alle Bauteile die in der Region Thüringen und dem Internet aquiriert wurden, sind in einem Bauteilkatalog zusammengefasst. So werden mehr als 140 unterschiedliche Bauteile in dem Bauteilkatalg mit Angaben zum Abriss- oder Umbauobjekt, Alter, Ort, Gewicht und kleinen Skizzen der Bauteile dargestellt. Folglich werden Auszüge des Katalogs präsentiert.

 

THEORIE

 

In einer theoretischen Arbeit  "Perspektiven zur Wiederverwendung von Bauteilen - Eine Auseinandersetzung mit Arbrissobjekten der Baubranche und die Suche nach neuen Wertschöpfungsketten und Instrumenten zur Förderung des zirkulären Bauens" die in Zusammenarbeit mit Malte Wiegand entstand, wurde sich umfassend mit der Thematik des zirkulären Bauens befasst.

 

 

BAUSTOFFPRIORISIERUNG

 

In dem Projekt wird versucht, mit so viel gebrauchtem Material zu arbeiten wie möglich. Re-Use-Bauteile sind blau dargestellt, Bestand und neue Bauteile hingegen in schwarz.

 

 

MODULARITÄT & TRANSFORMIERBARKEIT

 

Sowohl die Konstruktion als auch die Grundrisse können auf transformative Prozesse eingehen. Dies erleichtert die Wartung, die Umnutzung und den Rückbau.

 

 

ZIRKULÄRE BAUTEILE AUS DER REGION

 

Ein Großteil der in diesem Projekt verwendeten Bauteile stammt aus zirkulären Objekten aus Thüringen. Beachten Sie die Bauteilnummern auf den Plänen, sowie den Bauteilkatalog. 

 

STÄDTEBAU

 

 

Das Institut soll ein Ort der Öffentlichkeit werden, Passanten einladen und neugierig auf das Thema Zirkularität im Bauwesen machen.

Das für den Entwurf gewählte Grundstück befindet sich an einer prominenten Stelle im Herzen der Weimarer Altstadt, genannt “Zeughof”. Neben dem Grundstück verlaufen zwei bei Fußgängerinnen und Fußgängern beliebten Bewegungsachsen. Dies verleiht dem Institut eine besondere öffentliche Aufmerksamkeit.

 

Dort gliedert sich das Institut in die bestehenden Strukturen ein und umschließt einen großen Innenhof, der auch als Werkhof genutzt werden soll.

 

 

Die bestehende Fußgänger:innenpassage am Zeughof, die den Platz am Donndorfbrunnen und den Theaterplatz verbindet, wird durch die Setzung eines Werkstattriegels zur Gasse ausgebildet. Von dort aus lässt die großzügig verglaste Fassade der Werkstatt gewollt neugierige Blicke in und durch in den Innenhof zu.

Es wurde bei der Platzierung der Gebäude in-

tensiv auf den Baumbestand reagiert. Darüber

hinaus zieht sich eine grüne Lunge durch den

Innenhof, die im Sommer Schatten spendet.

 

GRUNDRISSE

 

 

SCHNITTE

DAS INSTITUT

 

Das Institutsgebäude soll mit seiner Fassade aus wiederverwendeten Bauteilen im Stadtbild auffallen und die Herkunft der Bauteile nicht verstecken. So sollen Passant:innen neugierig gemacht werden und sich mit architektonischer Zirkularität vertraut machen. Auf diese Weise erhofft sich der Bau, die gesellschaftliche Akzeptanz von kreislaufhaften Bauen zu fördern.

Aufgrund der hohen Verfügbarkeit von Stahlbauteilen wurde das Gebäude aus einer tragenden Stahlkonstruktion geplant. Die dafür verwendeten Stahlträger kommen aus einer ehemaligen Lagerhalle aus Erfurt, sowie von einem Industrieareal in Ilmenau. Auch die durch Stahlträger streng gerasterte Aluminiumfassade sowie der Bodenaufbau werden aus überwiegend gebrauchten Bauteilen gefertigt.

 

 

 

Auch die Erschließungstreppe, die ehemals als Fluchttreppe im Außenraum diente, wird im akzentvollen Grün der Fassade lackiert und im Institut wieder eingesetzt.

 

Die Räume bieten durch das im Grundriss gleich dementierte Treppenhaus einen starken Bezug zueinander und können sehr vielfältig genutzt werden. Die Innenansicht ist geprägt von den in die Stahlkonstruktion eingesetzten Fassadenmodulen, deren Öffnungen variieren, sowie dem gebrauchten Trapezblech aus Stahl an der Decke.

 

Alle Bauteile werden reversibel miteinander verbunden, um einfache Wartungen und Umbauten zu ermöglichen oder Bauteile nach der Nutzungsdauer zerstörungsfrei rückbauen zu können, um sie im Kreislauf zu halten.

 

 

FASSADENGESTALTUNG

 

Die Fassade ist aus drei Schichten aufgebaut. Dieses Prinzip findet Anwendung, um der Fassade, trotz sich ändernden Fensterformaten, eine Gliederung zu verleihen.
Von außen zieht sich eine gerasterte Konstruktion aus Stahlträgern um das Institut. Dahinter gliedern regelmäßige Öffnungen in der Wellblechfassade das Gebäude. In der letzten Schicht werden die Fassadenmodule mit den variierenden Fensteröffnungen installiert.Die verwendeten neuen und wärmeisolierenden Fenster stammen aus Überproduktionen, Fehlbestellungen oder haben kleine Mängel.

 

 

 

 

 

 

DIE WERKSTATT

 

Das ein-, bis zweigeschossige Werkstattgebäude  besteht nahezu ausschließlich aus wiederverwendeten Bauteilen. So kommt beispielsweise die Glasfassade von einem ehemaligen Hallenbad in Ilmenau, die Trapezblechfassade von dem EOW Gelände in Weimar und die tragende Stahlkonstruktion besteht aus gebrauchten Stahlträgern aus Ilmenau. Das Institut nutzt die Werkstatt für Forschungs- und Bildungszwecke. In ihr können Mitarbeitende, Studierende und Teilnehmer:innen von Weiterbildungskursen Prototypen erstellen und lernen, gebrauchte Baumaterialien aufzuarbeiten und neu zu verbauen. Außerdem besteht die Möglichkeit, einzelne Fassadenmodule der beiden weiteren Gebäude (Institut und Wohnblock) in einem partizipativen und interdisziplinären Prozess direkt vor Ort zu produzieren.

 

 

 

 

 

 

Das Gebäude passt sich der Topografie des Geländes an. Es fällt nach Osten ab und ist somit auf der gesamten Länge barrierefrei zugänglich. Um schonend mit dem Baumbestand umzugehen, gliedert sich der Bau in drei Teile, die leicht versetzt sind und sich in ihrer Höhe unterscheiden.

 

Die drei versetzten Gebäudeteile lassen sich durch Schiebewände voneinander abtrennen. Die Variabilität führt zu vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der hohen, beidseitig verglasten Räume auch abseits der Werkstattnutzung. So können die Räume beispielsweise für Workshops oder Ausstellungen genutzt werden. Die Glasfassade lässt neugierige Blicke gewollt zu und bietet zudem eine visuelle Durchlässigkeit zum Innenhof.

 

 

 

 

 

 

 

FASSADENGESTALTUNG

 

Die Werkstattfassade ist gestalterisch stark durch die Wiederverwendung einer Pfosten-Riegel-Fassade eines ehemaligen Hallenbades in Ilmenau (Thüringen) geprägt. Die 4,20 Meter hohe Fassade beeinflusst das Raster und somit die Gebäudelänge und Tiefe der Werkstatt maßgeblich mit.

DER WOHNBLOCK

 

Das benachbarte Wohngebäude wird das erste Bauprojekt, in dem das Institut beratend in der Planung und Ausführung involviert ist.

Der Bestandsbau, ein Wohnblock aus den 60er Jahren, wird aus wiederverwendeten Bauteilen stark aufgewertet. Er bekommt an der Nord- und Westseite eine neue wärmegedämmte Fassade, die mit wiederverwendetem Trapezblech verkleidet wird. Auf der Südseite hingegen wird der Wohnblock durch eine Stahlkonstruktion aus wiederverwendeten Stahlträgern aus Ilmenau erweitert.

In einem interdisziplinären Bauprozess wird die Stahlkonstruktion mit einer modularen Fassade aus gebrauchten Fenstern, die in der Werkstatt vorproduziert werden können, verkleidet.

 

 

 

 

 

Dadurch entsteht auf der Südseite ein neuer unbeheizter Gang. Er dient als Erweiterung der kleinen Wohnungen und führt zu einem stärkeren Austausch zwischen den Bewohnenden. Für mehr Privatsphäre lässt sich der Gang jedoch durch Trennwände aus wiederverwendeten Messeteppichen in Zellen unterteilen. Damit einhergehend erhält die Südfassade eine neue Außenhaut mit Dämmwirkung.

 

Während der Rest des Bestandes kaum angetastet wird, beschränkt sich der weitere Eingriff hauptsächlich auf das Dachgeschoss. Dort werden die Wohnungen im dritten Oberge- schoss zu Maisonette-Wohnungen umgebaut, um das Stockwerk besser nutzbar zu machen. Das Erdgeschoss wird durch eine barrierefreie Erschließung sowie einen Gemeinschaftsraum ergänzt.

 

 

 

FASSADENGESTALTUNG

 

Die an eine Stahlkonstruktion vorgehängte Fassade besteht aus Fassadenmodulen aus Holz und einer Aluminiumfassade aus gebrauchtem Trapezblech. In den Fassaden-Modulen werden unterschiedliche gebrauchte Fenster wiederverwendet, die in Thüringen gesammelt werden. Sie können in der Werkstatt in einem partizipativen Prozess hergestellt werden.

Um die Fassade zu gliedern, wird eine Trapezblech-Fassade mit geordneten Öffnungen davor gesetzt, so dass die Module eine Rahmung erhalten.

Die neue Fensterfassade erzeugt einen thermische Pufferzone zwischen Draußen und der Bestandsfassade des 60er Jahre Wohnblocks. Dadurch muss dieser nicht mehr zusätzlich isoliert werden.